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Interview: Dave Rossum E-MU, Teil 3

From Emax to Proteus

4. Juli 2015

Im dritten Teil unseres Interviews mit Dave Rossum (dem Gründer und langjährigen Kopf von E-MU) widmen wir uns den 90er Jahren, als die Digitalisierung weiter voranschritt und Instrumentenbauer sich vor allem um die Entwicklung von Chips kümmerten.

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Hier nun die Links zur kompletten Interview-Reihe:

Peter:
Lass uns nochmals über Eure eigene DSP-Chip-Entwicklung sprechen. Was veranlasste Euch, eigene Chips herzustellen? War das nicht unglaublich zeitaufwendig und
kostspielig?

Dave:
Multi-Channel Sampler wurden unser Kerngeschäft. Und es war mir klar, dass es über lange Zeit keine Standard DSP-Chips geben würde für diese Aufgaben. Wir brauchten eine maßgeschneiderte Lösung, dabei profitierte ich natürlich von meinen Erfahrungen in der Entwicklung der analogen SSM Chips. Ein digitaler Chip erschien mir vergleichsweise einfach. 1985 gewann ich einen Wettbewerb: den Seattle Silikons IC Design Contest. Der Preis bestand in der Produktion eines digitalen Chips nach eigenen Spezifikationen.

Peter:
Das war dann sozusagen die Basis für Eure Sampler der Zukunft?

Dave:
Ja, so entstand der E-Chip, mein erster DSP, der zum Herz des Emax wurde, während das Filter im ersten EMAX aber noch analog arbeitete. Er war nicht schlecht, hatte aber ein paar Probleme in der Produktion, und wir konnten eine Menge daraus lernen. Danach folgte ein kleines Gate-Array (auf deutsch auch als „Gatterschaltung“ bekannt), das in den Ausgangskanälen des Emulator III zum Einsatz kam: eine simple und kostengünstige Schaltung, deren Entwicklung nur ein paar Wochen dauerte.

Dave 1997 während der 25 Jahr Feier zusammen mit seinen „Modularen“

Peter:
Im Laufe der Zeit kamen ja jede Menge verschiedener E-MU Chips hinzu, die alle nur noch mit einem einzelnen Buchstaben bezeichnet wurde, u.a. auch der H-Chip, der schließlich den Platz der analogen Filterbausteine im EMU-IIIxp und EMAX II übernahm. Gib uns doch bitte mal einen kurzen überblick über die diversen Chips und deren Bedeutung.

Dave:
Der E-Chip stand schlicht für E-MU, während der F-Chip auf ein FIR Filter hinwies, das mittels doppeltem Oversampling sogenanntes „Clocking Noise“ reduzierte. Der G-Chip bekam seinen Namen von einem der beiden Autoren eines Artikels über Interpolationen höherer Ordnung. In Anlehnung an die Autoren Phil Gossett und Julius Smith sprachen wir nur noch vom „Gossett-Smith-Algorithmus.“ Und der H-Chip wiederum bezog sich auf die technische Schreibweise der Filter-Funktion: H(z). Später kamen noch der K-Chip (für „Keyboard Scanner“) sowie der R-Chip (Reverb und digitale Effekte) hinzu.

Emax II CHemie

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Peter:
Na dann zurück zu den Details. Nach dem E-Chip kamen …?

Dave:
Der G- und H-Chip. Diese beiden stellten im  Gegensatz zum E-Chip einen großen Fortschritt dar. Im Emulator III wurde jeder Sampler Kanal wie ein unabhängiger Synthesizer behandelt mit jeweils eigener Samplingrate, während Konkurrenzmodelle wie PPG Wave oder der Ensoniq Mirage Pitch Shifting mittels einer „Drop Sample“ Methode erzeugten: Alle Kanäle wurden mit derselben Samplingrate betrieben und Transpositionen durch simples Weglassen oder Verdoppeln der bestehenden Samples umgesetzt.
Dieses Verfahren hatte große technische und v.a. auch preisliche Vorteile, erzeugte jedoch bei gewissen Sounds inakzeptable Verzerrungen. Mathematisch beschrieben handelt es sich bei Systemen mit fester Samplingrate um Interpolation. Drop Sample ist die einfachste Form der Interpolation, genannt Order Zero, während die lineare Interpolation (Order One) etwas weniger Verzerrungen erzeugt, doch für unsere Ansprüche war dies immer noch nicht gut genug. Der G-Chip verkörperte meine Vorstellung einer Order Seven Interpolation ohne jegliche hörbaren Verzerrungen. Und der H-Chip beinhaltete ein digitales Filter mit analogem Klangbild.

Der Emax I, noch mit analogen Filtern, aber bereits mit E-Chip

Peter:
Ich habe jetzt nicht wirklich alles verstanden, aber ich kann bestätigen, dass vor allem der H-Chip seinerzeit sehr sehr nahe an den Klang eines echten Analog-Filters kam.

Dave:
Die Entwicklung dieser Chips war eine große Investition für E-MU. Ihr Design war zu komplex für Gate-Array Schaltungen und erforderte ein höheres Level an Entwicklung und Konfiguration. Knapp zwei Jahre Vollzeit Arbeit habe ich investiert, bis wir im Frühjahr 1988 die ersten Prototypen der G-Chips präsentieren konnten, die von Anfang an perfekt funktionierten.
Der Schlüssel zum Erfolg waren mathematische Modelle, die ich ursprünglich für die Fehlersuche des E-Chip entwickelt hatte. Prototypen zu bauen war sehr kostspielig, hat sich aber ausgezahlt, da alle meine Eigenentwicklungen auf Anhieb gut funktionierten.
Das Design des H-Chip war im Sommer 1988 abgeschlossen und war so komplex, dass LSI Logic, ein Chip Hersteller, der uns den ersten Prototypen bauen sollte, erst die eigene Steuersoftware der Produktionsanlagen überarbeiten musste.1989 war es dann schließlich soweit und wir bekamen die ersten funktionierenden H-Chips. Die Technologie dieser beiden Chips bestimmte das technische Innenleben der E-MU Synthesizer für die folgenden zwanzig Jahre.

Peter:
In welchem Gerät kam der H-Chip erstmals zum Einsatz?

Dave:
Bis zum G-Chip hatten alle unsere Sampler analoge Kanalzüge mit analogen Filtern, was eine gute, jedoch eher kostspielige Lösung war. Der Emax II war unser erstes Produkt mit digitalen Filtern des H-Chips.

Peter:
Noch mal zurück zum Vorgänger Emax I, der war ja dank E-Chip Innenleben die Low-Budget Variante des Emulator II. Ging die Rechnung auf?

Dave:
Der Emax I mit E-Chip war so etwas wie unsere Antwort auf den Ensoniq Mirage. Zu Beginn hatten wir einige Produktionsprobleme mit dem E-Chip, zudem lief die Verbindung zum Floppy Disk Drive nicht zuverlässig. Der Emax war verhältnismäßig erfolgreich und warf auch Gewinn ab. Durch sein preisgünstiges Design galt er indes aber nicht als besonders inspirierendes Produkt: nicht gerade unser Schlachtschiff. Als das Emax-Projekt sich von der Chip-Phase zum ausgewachsenen Synthesizer entwickelte, wechselte mein Fokus zur Weiterentwicklung der G und H Chips. Ich habe heute noch ein schlechtes Gewissen wegen der Limitierungen die der Max dadurch hatte.

EMAX II Ganz

Komplett digital, der EMAX II

Peter:
Schließlich habt ihr euch entschieden, den Nachfolger Emax II mit einer 16-Bit-Engine und in Stereo zu bauen. Und so weit ich mich erinnere, wurde der Emax II ein großer Erfolg, oder?

Dave:
Als der H-Chip erstmals lieferbar war, wollten wir den Emulator III noch nicht aufgeben, aber der Emax brauchte dringend ein Update. Emax II war eigentlich eine Fehlbezeichnung, da sowohl Soft- und Hardware (mit G- und H-Chips) näher am Emulator III als am Emax I waren. Die größte Verwandtschaft zum Emax I war das Gehäuse. Später hat man mir gesagt, dass ich dieses Instrument niemals Emax II hätte nennen sollen – das wäre vergleichbar mit einem Pinto II. (Der amerikanische Ford Pinto war berüchtigt als günstig und unzuverlässig.)
Der Emax II war ein tolles Produkt, populär und sehr zuverlässig. Im Gegensatz zum Emax I konnten wir hier alle Versprechungen erfüllen.

Peter:
Was ich mich schon immer gefragt habe, wer entwickelte die SE-Synthese für den Emax – und wieso wurde diese nur noch im Emax II verwendet, aber in keiner der nachfolgenden E-MU Geräte mehr?

Dave:
Die SE-Synthese wurde von unserem Ingenieur Tony Dean für den Emax I und II sowie den Emulator III entwickelt und basierte auf National Prozessoren der 32000 Serien, die in „C“ programmiert werden konnten. Für Tony war es ein Leichtes, den SE Synthesizer zu programmieren. Das Ergebnis überzeugte uns. Der ursprüngliche Name lautete Spectrum Interpolation Digital Synthesis. Später haben wir der Einfachheit halber den Namen auf Spectrum Synthesis gekürzt.
Es gab keine rationalen Gründe, diese Software nicht weiterzuentwickeln. Das Interface war vielleicht etwas mühsam in der Bedienung, die Klänge hingegen konnten sehr interessant sein. Als wir unsere CPU wechselten – von den 32000 Serien zu Motorolas 68000 Familie – erschien dem Entwicklerteam der Aufwand zu groß, den SE Synthesizer für die neue Plattform anzupassen.

1996 Dave Rossum in Singapur, der eine Vorliebe für Schlangen hat. Zu seiner Beförderung zum Chef-Wissenschaftler bei CREATIVES begleitete ihn diese BOA, die er sich kurz zuvor bei einem Schlangenbeschwörer besorgt hatte.

Peter:
Mit der Proteus-Serie konntet ihr ab 1989 auf Grund des positiven Images des Emulator III nochmals richtig absahnen. War der erste Proteus damals nicht eine richtige Sensation?

Dave:
Intern nannten wir den Proteus zunächst nur The Plug (im Sinne von Pfropfen oder Stöpsel), da wir dringend ein Produkt brauchten, um unser finanzielles Loch im Zuge der technischen Probleme des Emulators III zu stopfen. Das technische Konzept war schlicht und einfach, um es in kurzer Zeit entwerfen zu können, das an Hand unseres G-Chips Klänge erzeugen würde.

Während der Entwicklung diskutierten wir oft die Größe und vor allem den Inhalt des ROM Speichers. Einige waren der Meinung, dass eine Auswahl bekannter Emulator III Samples ausreichen würde, während Marco Alpert darauf beharrte, einen Querschnitt an gängigen Pop und Rock Klängen in den 4 MB großen Speicher zu packen. Unser Sound Department hatte einige Bedenken, was die Klangqualität betraf, jedoch war damals der G-Chip ganz neu, und niemand von uns konnte abschätzen, wie gut er in der Tat klang. Am Ende wurden die Klänge stark komprimiert – und klangen dennoch hervorragend. Und als Herb Jimmerson schließlich eine Demo Aufnahme erstellte, waren wir begeistert. Da wurde uns klar, dass wir ein richtig gutes Produkt entwickelt hatten.
Bob Moog bekam von mir eine persönliche Präsentation des ersten E-MU Proteus auf der NAMM Show. Damals arbeitete er als Berater von Kurzweil. Seine letzte Frage war bloß: „How much memory?“ Die Antwort, dass es sich dabei nur um 4 MB handelte, konnte er kaum glauben.

Berühmter Vertreter der Proteus-Serie, der ProCussion.

Berühmter Vertreter der Proteus-Serie, der ProCussion

Peter:
Und der Name?

Dave:
Proteus war ein griechischer Gott, der andauernd seine Gestalt änderte. Ein Symbol für Vielseitigkeit und Wandlungsfähigkeit. Was natürlich auf dieses Instrument zutraf: The Plug mauserte sich vom reinen Lückenbüßer, dessen Entwicklungszeit so kurz wie möglich sein sollte, zu einem revolutionären Instrument.

Peter:
Das lange Zeit nicht lieferbar war. Man hatte schon Angst, es käme nie.

Dave:
Der G-Chip, der von LSI Logic für uns produziert wurde, nutzte einen 16 mal 16 Multiplier-Accumulator als Kern seiner DSP Engine. Die Prototypen funktionierten einwandfrei, doch in der ersten Produktionsreihe im Januar 1989 stellte sich heraus, dass diese Chips zu viel Strom brauchten. Ein halbes Jahr später konnte der Fehler endlich identifiziert werden: Es handelte sich um eine Design-Rule Violation, die zu einem Kurzschluss führte. Die Produktion wurde neu aufgelegt und sollte Ende Oktober 1989 beginnen. Am 17. Oktober 1989 bebte in Kalifornien die Erde: 6.9 mit dem Epizentrum gerade mal fünf Meilen vom Hauptsitz von E-MU entfernt. Wir haben die Sache erstaunlich gut überstanden und konnten nach wenigen Wochen die Produktion wieder aufnehmen. Hingegen war die Produktionsstraße des G-Chips in der LSI Fabrik zerstört, so dass die Produktion erst im Dezember begann.

Peter:
Diese enorme Verzögerung bedeutete dann sicher wieder wirtschaftliche Einbußen, oder?

Dave:
Ich denke, dass unsere Geschichte anders verlaufen wäre, wenn die Produktion bei LSI Logic besser funktioniert hätte. Uns gingen Millionengewinne verloren. Geld, das wir dringend gebraucht hätten, um die Kosten der Proteus Linie zu senken und diese zeitnah weiterzuentwickeln. So wären wir besser für die wachsende Konkurrenz gewappnet gewesen, wie dem Sound Canvas und anderen Copycats.

Familienfoto aller E-Mu Produkte ca. 1993

Familienfoto aller E-MU Produkte 1993

Peter:
Der Proteus klang toll damals, aber warum fehlte ein Filter?

Dave:
Für uns war der Proteus “the quickest thing you can design with a G-chip“. Damals war unser digitales Filter, der H-Chip, noch nicht fertiggestellt. Und für analoge Filter war die Polyphonie des Proteus schlicht zu hoch: 32 Stimmen hätten ebenso viele DA-Wandler und Filter erfordert.

Peter:
Es erscheint mir fast so, als hätte man die Soundlibrarys seit dem Emulator II immer und immer wieder verwendet. Gut, zum Emulator III kamen zahlreiche neue Sounds hinzu, aber diese fand man dann in der Emax II Library, bei den ESI Samplern, bei den Proteus-Modellen und zu CREATIVE LABS Zeiten sogar in den PC-Versionen. Was war mit Kevin Monahan passiert, hatte er die Firma verlassen?

Dave:
Die Sound Library war eine unserer dynamischsten und innovativsten Abteilungen bei E-MU, und das bis zur Mitte der 2000er Jahre. Ich denke, dass einige Soundentwicklungen von vielen übersehen wurden. So war der Emulator III unser erster Stereo Sampler, was natürlich neue Samples erforderte. Unser Wissen und Erfahrung für Studio Sampling-Aufnahmen nahm stetig zu, kontinuierlich haben wir die Klänge verbessert. Auch wenn ein Sample des Emulator III denselben Namen hatte wie im Emulator II, handelte es sich in den meisten Fällen um neue Aufnahmen.
Unsere DSP Gurus, allen voran Dana Massie, schrieben zahlreiche Klangbearbeitungsprogramme für unser Sound Department.

Auf den ersten Blick wirkte es, dass die Proteus Familie simple Neuauflagen existierender Klänge waren, in Wahrheit wurden sie für jedes Produkt sorgfältig ausgewählt und oft auch überarbeitet. 2007 stellte sich heraus, dass Creative kein Interesse daran hatte, die E-MU Sound Library weiterzuentwickeln. Tim gelang es, die Lizenzen zu erwerben und gründete Digital Sound Factory – eine Firma, die heute noch existiert.

Peter:
Tim wer?

Dave:
Tim Swartz löste Kevin Monahan Anfang der 90er Jahre an der Spitze unseres Sounddepartments ab und blieb bei E-MU bis ins Jahr 2000. Zudem war er an den eher unbekannten E-MU Projekten beteiligt, wie beispielsweise Klanginstallationen für Vergnügungsparks oder militärische Flugsimulatoren. Als E-MU das „SoundFont“ Konzept präsentierte – damals schon in Zusammenarbeit mit Creative – schwitzte Tim Blut, um ein 1 MB Sound ROM für den Sound Blaster von Creative herauszuquetschen. Der größte Teil seiner Arbeit umfasste jedoch die Entwicklung neuer Sounds für E-MU Produkte: Klänge von nah und fern für den Proteus World oder „crazy“ Samples für den Morpheus.

Tim arbeitete hart daran, das Sound Department von E-MU profitabel zu führen, was angesichts der zahlreichen Raubkopien gar nicht so einfach war. Über Jahre hinweg erzielte das Sound Department gute Renditen.

Königsklasse in der Proteus Family, der E-Mu Morpheus.

Königsklasse in der Proteus Family, der E-MU Morpheus

Peter:
Mit dem Morpheus sollte es ja dann einen Proteus geben mit einem sehr umfangreichen Synthese-Ansatz. Aber irgendwie war das Teil wahnsinnig schwer zu programmieren und die Ergebnisse waren schwer vorher zu sehen. Was sagst du heute zu Eurer Morphing-Technologie?

Dave:
Der Morpheus war der ultimative H-Chip Synthesizer. Der einzelne H-Chip des Emax II war als 12 dB pro Oktave Filter, also ein Filter zweiter Ordnung, konfiguriert. Die vier H-Chips des Morpheus (und auch des Emulator IV Ultra, Proteus 2000 und einigen anderen Sprösslingen) nutzen das volle Potential der 14. Ordnung. Wir nannten dies Z-plane Synthese („Z-Plane Filter“). Diese komplexe Filter Technologie ist natürlich nicht einfach zu kontrollieren: Ein 14 Pol Filter wird von 28 Parametern gesteuert. Mit der Morphing Funktion konnte man zwischen zwei Filtereinstellungen (also zweimal je 28 Werte) hin- und herblenden.
Die Schwierigkeit lag darin, musikalisch sinnvolle Kombinationen zu finden. Zudem waren die Filter natürlich zeitabhängig gesteuert, jedoch erzeugte dies zum Teil ein instabiles Verhalten. Wir verbrachten Monate mit der Fehlersuche, und es zeigte sich, dass gewisse Kombinationen von MIDI-Signalen ein chaotisches Verhalten der Filter verursachte – mit Selbstoszillationen, die sowohl die Lautsprecher als auch das eigenen Gehör der Musiker schädigen konnten. Der Morpheus bekam darauf ein Update, das etwaige instabile Filter sofort verstummen ließ.

Doch zurück zur Morphingfunktion: Das simple Überblenden zwischen zwei Filtereinstellungen war uns klanglich nicht interessant genug, so haben wir dem Morpheus einen leistungsfähigeren Prozessor des Typs 68020 spendiert, der es ermöglichte, zwischen acht Filtern (d.h. 224 Parameter insgesamt) zu morphen, sobald eine Note gespielt wurde.
Es stimmt, dass der Morpheus schwer zu durchschauen und v.a. zu programmieren war. Dennoch wurde er zu einem veritablen Kultinstrument. Musiker, die sich die Zeit nahmen ihn zu verstehen, liebten ihn. Für alle anderen war die Lernkurve zu steil und lohnte nicht den Aufwand.
Noch heute denke ich, dass es kein vergleichbares Produkt gibt, das der Morphing Technologie des Morpheus ebenbürtig ist. Irgendwann wird sich bestimmt wieder jemand damit beschäftigen, und dank leistungsfähiger und günstiger Prozessoren sollte dies auch technisch kein Problem sein.

DSC01531

Peter:
Hingegen war der Vintage-Keys ein großer Erfolg und kam wohl genau zum richtigen Zeitpunkt, als die Techno-Welle die Musikszene beherrschte. Wie kam es zu diesem Vintage-Rompler?

Dave:
Über die Jahre gab es verschiedene Vintage Keys Produkte. Das original „Vintage Keys“ Rack Modul aus dem Jahre 1993 verfügte als erster der Proteus Familie über H-Chip Filter und war sozusagen eine Prototyp Plattform des Morpheus. Er war populär, wenn auch nicht besonders revolutionär. Die H-Chip Filter eigneten sich hervorragend für klassische Synthesizer Klänge; ich denke, dass sie die musikalischsten Digital Filter ihrer Zeit waren.
Der Vintage Keys hatte zwei H-Chips, was diesen etwas teurer machte. Im günstigeren Classic Keys Module (1994) haben wir die H-Chips durch eine Reihe günstiger Effekt Prozessoren ersetzt. Der Erfolg des Classic Keys hielt sich indes in Grenzen.
Die Proteus 2000 Familie nutzte einen dualen G-Chip II für die 128 Stimmen Architektur. Auch hiervon gab es ein Modell, das auf Vintage Klänge spezialisiert war, das Vintage Pro Module, das wir 2002 vorstellten. Auch dieses war verhältnismäßig erfolgreich, jedoch gewiss kein Superstar. 2003 folgte eine Keyboardversion mit 64 Stimmen.

Aber die Vintage Keys Reihe war ganz gewiss kein großer Erfolg. Dies waren tolle Instrumente mit einer gewissen Popularität innerhalb ihrer Nische, doch eben nicht erfolgreich genug, um E-MU zu langfristigen Einnahmen zu verhelfen.
Mein Beitrag an die Vintage Keys Produkte war eher klein und beschränkte sich auf das Design der Chips und der Sound Engine, während andere Ingenieure und vor allem das Sound Department sich um die Details kümmerten.

Peter:
Während es Euch früher schwer fiel, Racks zu entwerfen, hattet ihr Euch nun auf Racks geradezu spezialisiert. Wieso?

Dave:
Die Markt und die Bedürfnisse hatten sich verändert. Zu den Zeiten des Emulator II war MIDI eine Neuheit, niemand dachte damals an Racks. Zudem war die japanische Konkurrenz eher schwach. Während der folgenden zehn Jahre hat sich dies stark verändert, und es wurde normal, MIDI Rack Equipment vom Keyboard oder direkt via Computer zu steuern. Die Musiker verlangten nach Master Keyboards mit gewichteten Tasten, die wir bei E-MU nicht zu konkurrenzfähigen Preisen hätten anbieten können. So konzentrierten wir uns auf Racks und fanden eine Nische, die für uns gut funktionierte.

Der E-Mu Orbit 3, eines von zahlreichen E-Mu Rack-Produkten.

Der E-MU Orbit 3, eines von zahlreichen E-MU Rack-Produkten

Ich wollte immer ein Controller Keyboard bauen, doch stets fehlte es an der Zeit und der Unterstützung. Zu Beginn der 90er Jahre entwickelte ich zusammen mit Steve Thompson (Mechanical Designer bei E-MU) ein Keyboard, das die genaue Position der Finger auf den Tasten erkennen konnte – ähnlich wie dies heute in Smartphones und Tablets umgesetzt ist. Doch leider scheiterten wir an der industriellen Umsetzung dieser Sensoren und gaben das Projekt auf. Von da an konzentrierte sich E-MU auf Rackmodule.

Peter:
Erst mit dem Emulator IV gab es ein grafikfähiges Display zur Bearbeitung der Samples. AKAI und CASIO hatten das lange vor Euch angeboten – und ich denke, das war auch ein Grund für den Erfolg von AKAI. Selbst als ihr die Modelle Emulator IIIXP und S auf den Markt gebracht habt, fehlte wieder ein grafisches Display. Was war der Grund dafür?

Dave:
Zu Beginn der 90er Jahre war es gar nicht so einfach, internationale Zulieferer zu finden. Akai und Casio hatten ihre Kontakte innerhalb Japans und konnten auch kleinere Mengen zu guten Konditionen erwerben. Uns fehlten schlicht die Kontakte. Wir wollten sehr wohl grafikfähige Displays anbieten, doch gelang uns dies erst mit dem Emulator IV.

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Forum
  1. Profilbild
    k.rausch AHU 1

    Eine weitere interessante Folge. Auch die Story rund um Proteus. Ich erinnere mich an diese Phase, als es im Handel einen Wettbewerb zwischen dem ersten Proteus und den Rolands U110 bzw. U220 gab. Letztere hatten eine deutlich bessere Verarbeitungsqualität und kein Plastikgehäuse. Die Sounds des Proteus 1 aber hatten diesen gewissen USA Charme, der aus den anderen Emus schon bekannt war. Dank Rossums Interviewantworten wissen wir nun mehr über die Hintergründe damals. Spannende Sache!

  2. Profilbild
    MidiDino AHU

    Danke für diese weiter Folge. Die Hintergründe sind manchmal pragmatischer als Musikern lieb serin könnte. Vor allem dies, so mein Eindruck, ist aus den Erläuterungen dieser Folge zu erfahren.

  3. Profilbild
    arnimhandschlag

    Vielen Dank für die neue Folge! Macht Spaß das zu lesen.
    Midi Dino, zum Pragmatismus: es ist leider fast immer etwas entzaubernd, dass auch der Synthesizer-Bau sich in der Realwirtschaft herumtreibt :)
    hab deswegen meinen alten XL1 auf Basis des Proteus 2000 mal wieder rausgekramt und angeschlossen. Die Filter darin hören sich wirklich sehr angenehm an; hatte ich so gar nicht in erinnerung. Mitlerweile hat auch jemand ne Editor-software erstellt, diese Emu Racks zu programmieren ist am Gerät die Hölle.

  4. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Amazona wird dank dieser tollen Interviews immer besser! :) Ich hatte leider nie das Vergnügen einen Emax oder Emulator zu besitzen. Lediglich ein E5000 Ultra hatte es mal kurz ins Rack geschafft. Ich fand diesen von der Bedienung schlimmer als die Akai S Serie. Dave könnte ja nach Vorbild des Emulator oder Ensoniq ASR einen einfachen Sampler ohne feature overkill designen. Nur als Keyboardversion und 8 Instrumenten Slots im direkten Zugriff. Die Ausrede mit Ableton geht sowas besser zieht bei mir nicht weil der Umweg über Bildschirm und Maus jedes für die Musik so notwendige Gefühl tötet. Ich zieh mir jetzt ein paar Alan Wilder + Emulator YT-Videos rein. ;)

  5. Profilbild
    Markus Galla RED

    Schade, dass die frühere Kompetenz in Sachen Digitaltechnik heute eher brach liegt. EMU und Ensoniq standen einst für den amerikanischen Sound, der sich immer prima mit der japanischen Konkurrenz verstanden hat. Das galt auch für das „historische“ Kurzweil vor seiner Übernahme. Gerade heute, wo sich alle Welt auf das Analoge stürzt, könnte ein innovatives Digitalgerät eine angenehme Abwechslung schaffen. Dass Digitaltechnik lange und fast unverändert am Markt bestehen kann, zeigt Yamaha mit dem Motif. Gerade heute stünden doch mit günstigem Ram und SSDs Möglichkeiten zur Verfügung, von denen EMU und Ensoniq damals nur träumen konnten. Heute könnte man „Best of Digital“ in einem Gerät anbieten. Man stelle sich vor, man könnte einen EMAX II heute über ein Touch-Display in Größe eines iPads bedienen und hätte 16 GB Speicher und eine 256 GB SSD da drin samt einem DSP, auf dem per Plug-in Schnittstelle verschiedenste Effekte oder Synthesen berechnet werden können, ähnlich wie UAD das mit seinen Interfaces macht. Außerdem Live-Sampling & Looping und vielen Controllern, um live damit zu performen. Heute steht an dieser Stelle ein schnöder Computer. Schade eigentlich.

      • Profilbild
        Markus Galla RED

        @micromoog Habe ich ja geschrieben. Die Frage bleibt bestehen, ob man das tatsächlich als Instrument für sich begreift. Das beste Beispiel dafür sind die Hammond B3 (oder überhaupt eine Orgel, auch Kirchenorgel): hier zählt nicht nur der Klang (den man heute täuschend echt hinbekommt), sondern auch die Haptik, die Größe des Instruments, das Pedal, die breite Sitzbank usw. Beim Klavier/Flügel ist das auch so. Roy Bittan von Springsteen’s E Street Band z. B. nutzt zwar das Synthogy Ivory II Italian Grand als VST auf seinem Receptor, spielt es aber über einen midifizierten Flügel, dessen Mechanik bei den Konzerten komplett aktiv ist und die er auch für das eigene Monitoring und Wohlbefinden nutzt. Ein Master-Keyboard würde trotzt Hammermechanik nie das gleiche Spielgefühl vermitteln. So ist es auch bei einer Workstation. Natürlich leistet ein Laptop mehr, ist aber viel weniger Instrument als eine Workstation wie ein Yamaha Motif. Und sie sieht besser auf der Bühne aus :-)

    • Profilbild
      TobyB RED

      @Markus Galla Hallo Amoros,

      da hast du sicher recht, aus meiner Sicht und vor allem bei EMU, sind es die Chips und die Tricks die Rossum et al. hier angewandt haben. Was mit der Digitalisierung einherkam, war sicher auch ein ökonomischer Druck auf die Hardware Hersteller, hier immer günstiger zu fertigen. Für mich ist das durchaus eine konzeptionelle Frage, ob ich alles mit IT/Rechner löse oder mit Musikinstrumenten. Ich bin für Musikinstrumente.

  6. Profilbild
    micromoog AHU

    Danke für Teil 3, das erklärt dann doch einiges. Aber gerade diese Limitierungen mangels dem Faktor Zeit und verfügbarem Geld bei der Entwicklung geben aus heutiger Sicht den Geräten einen gewissen Charme.
    Z.B. ist der Emax einer der geilsten „Hybrid-Synthesizer“ mit „austauschbaren“ Wellenformen. Wenn man sich vom eigentlichen Wort „Sampler“ und „Wie klingt das Klavier?“ verabschiedet, kann man den Emax eher mit DW8000, Kawai K3 und mit Abstrichen in der Komplexität dem Prophet VS vergleichen.
    Klar, die bei Einführung war die Preis- und Zielgruppe eine andere.

  7. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Tolles Interview, sehr gute Fragen, wie ich finde!
    Man kann in Teil 2 und 3 wunderbar lesen, wie sich Emu von einer Bude von Musikelektronik Freaks mit Spass an der Arbeit zu einem Wirtschaftsunternehmen mit Schwerpunkt Finanzen/Gewinne entwickelt. Parallel und vermutlich genau deswegen entwickeln sich die hergestellten Musikinstrumente von genial, fortschrittlich und inspirierend in Richtung Brot und Butter Rompler.
    Brot und Butter können die Japaner nunmal viel besser. Deswegen hatte Emu keine Chance.

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