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Test: Bohemian Surf Wax, E-Gitarre

Body aus Blechkanister

7. November 2017

Eine Gitarre, deren Korpus aus einem Blechkanister besteht, alles klar! Das waren meine ersten Gedanken, als ich die Bohemian Surf Wax auf der Guitar Summit in Mannheim entdeckte. Schnell war klar, so etwas muss von uns durch die Mangel genommen werden und nur zwei Wochen später treffen ein Bass und eine Gitarre dieser seltsamen Spezies zum Test bei uns in der Redaktion ein. Den Bass („Bohemian Motor Oil“) werden wir euch später noch in einem ausführlichen Review präsentieren, hier und heute geht es um die Bohemian Surf Wax und grundsätzlich um die Frage, ob es sich hier schlicht um einen Gag oder tatsächlich um ein ernst zu nehmendes Instrument handelt.

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Facts & Features

So eine Blechhülle ist ja an sich schon recht stabil, aber sicher nicht stabil genug, um auf Dauer den Anforderungen der Konstruktion einer Gitarre gewachsen zu sein. Man stelle sich nur vor – der Hals, die Brücke, der Pickup und vor allem die Spannung der Saiten würden diesem Vorhaben schnell ein jähes Ende bereiten. Aus diesem Grund befindet sich unterhalb der bunt bedruckten Blechhülle ein stabiler Holzrahmen aus Linde, an dem der Hals und die übrige Hardware angebracht sind. Die Rückseite des Blechkastens besitzt einen Deckel zum Abschrauben, dort kann man den Rahmen gut erkennen und zudem Zugriff zu den Bauteilen der Elektronik bekommen. Viel ist es nicht, nur ein P90 Pickup, der über ein Volume- und ein Tonepoti geregelt wird, besitzt die Bohemian Surf Wax auf ihrer Oberseite montiert. Oder darf man hier auch Decke sagen?

Insgesamt betrachtet ist der Blechmantel sauber und detailverliebt verarbeitet, selbst auf den Deckel zum Befüllen bzw. Entleeren muss man nicht verzichten. Und der lässt sich sogar aufschrauben, von einem Füllen des Behälters (mit Kaltgetränken) sei aber in jedem Fall abgeraten! Die Surf Wax benötigt übrigens nicht zwingend einen Gitarrenständer, denn die vier Gummifüße auf der Unterseite verleihen dem Instrument einen sicheren Stand. Dort unten ist auch Gurtendknopf Nummer 1 angebracht, der Zweite sitzt am Fuß des Ahornhalses, den wir uns als Nächstes betrachten.

Bohemian Surf Wax A

Der Hals der Bohemian Surf Wax

Der besteht aus Ahorn, leider aber auch aus einem Stückwerk. So wurden an den Hauptteil der Halsfuß die Kopfplatte und das Griffbrett angeleimt, man kann also hier von einer vierteiligen Konstruktion sprechen. Die Arbeit ist aber sehr gut gelungen, die Nahtstellen wurden sauber geschliffen. Das gilt insbesondere für das Griffbrett mit seinen 21 ebenfalls sehr ordentlich verarbeiteten Bünden und den Sattel, der sich zudem mit einer Breite von 42,8 mm recht bescheiden zeigt. Durch die nur mit einem Satinlack versehene Halsrückseite und das schmale C-Profil ergibt sich dadurch eine Bespielbarkeit, die man der Gitarre auf den ersten Blick gar nicht zutrauen würde. Problematisch ist in dieser Hinsicht nur die Breite des Korpus, hier muss man sich schon auf die Kategorie Westerngitarre einstellen. Doch dazu später mehr im Praxisteil.

Eher nach Western- als nach elektrischer Gitarre wirkt das Design der Kopfplatte. Sie wurde mattgelb lackiert und trägt die sechs gekapselten und verchromten Mechaniken, die sich beim Check-up als erste Schwachstelle zeigen. Irgendwie war es ja auch zu erwarten, denn bei Gitarren dieser Preisklasse, die Bohemian Surf Wax kostet nur knapp über 300,- Euro, findet man an dieser Stelle sehr selten brauchbare Tuner. Während der Testdauer musste schon des Öfteren nachgestimmt werden und wenn es dazu kam, dann nervten die Mechaniken mit ihrem sehr unpräzisen Tracking. Ein Satz Tuner eines Markenherstellers würde hier manchen Kummer ersparen und kosten nicht die Welt, es müssen ja nicht gleich vergoldete Klemmmechaniken sein. Die übrige Hardware besteht aus einer Tune-o-Matic Bridge und einem Stoptail, die beide sauber in das Blechgehäuse bzw. in den darunter liegenden Rahmen aus Linde eingesetzt wurden.

Bohemian Surf Wax B

Zwischenzeugnis

So viel also vorerst zur „äußeren Hülle“ der Bohemian Surf Wax und ihrer Ausstattung. Bis auf die minderwertigen Mechaniken gibt es keinen Anlass zur Kritik, allenfalls die Saitenlage unseres Testinstruments war alles andere als praxistauglich justiert. Doch dank der guten Verarbeitung des Halses und der Bünde ist in wenigen Minuten durch ein Absenken der Brücke eine komfortable Saitenlage eingestellt und der Praxistest kann beginnen!

In der Praxis mit der Bohemian Surf Wax

Handling und Grundsound

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Die ersten Schritte mit der Bohemian Surf Wax sind gar nicht mal so einfach und das aus zwei Gründen. Erstens ist das Instrument extrem kopflastig: Selbst auf dem Schoß platziert zieht es den Hals dermaßen nach unten, dass selbst in Sitzposition ein Gurt hier unverzichtbar ist, um eine einigermaßen ausgewogene Gewichtsverteilung hinzubekommen. Zweitens ist der Korpus, oder besser gesagt der Blechkanister, an seinen Seiten relativ breit, gut zu vergleichen mit den Maßen einer Jumbo-Westerngitarre. Das erschwert aber die Sicht auf die linke Hand und das Griffbrett – aber nicht jeder von uns kann oder möchte blind spielen. Nach einer gewissen Zeit gewöhnt man sich aber an diese etwas ungewöhnliche Ergonomie, so war es zumindest bei mir der Fall.

Der Hals mit seinem schlanken C-Profil und der satinierten Rückseite liegt sehr gut in der Hand. Zwar konnte man das Werkssetting unseres Testinstruments nicht wirklich als solches bezeichnen, aber wie bereits beschrieben, erlauben der absolut plan gefertigte Hals und die gute Verarbeitung der Bünde eine sehr komfortable Saitenlage, die vom ersten bis zum 21. Bund hinauf reicht. Intonation und Oktavreinheit zeigen sich über die gesamte Länge des Halses von ihrer besten Seite und auch Deadspots oder Schnarrer sind beim Bespielen keine zu entdecken.

Bohemian Surf Wax C

Der akustische Grundsound ist eher bescheiden, vor allem fehlt es aber an Sustain. Fast hätten wir es, aufgrund des Fehlens von Tonhölzern in ausreichender Menge, fast schon geahnt. Es klingt tatsächlich ziemlich blechern, dafür aber bereits unverstärkt schon fast in Zimmerlautstärke. Einiges am eher dürftigen Grundsound macht der P90 Pickup aber wett: die Bohemian Surf Wax klingt am Verstärker doch deutlich besser, als es der akustische Klang zunächst vermuten lässt! In den drei wichtigen Disziplinen – Clean, Crunch und mit hoher Verzerrung liefert der Pickup ein überraschend transparentes Klangbild an den Amp. Zudem ist er erstaunlich unempfindlich gegen Brummen, wenn man es mit der Zerre nicht zu sehr übertreibt.

Doch noch bevor das typische Singlecoil-Brummen auftritt, pfeift es ohnehin schon ordentlich aus dem Speaker. Denn die Blechkiste ist, ähnlich wie der Hohlraum eines akustischen Gitarrenkorpus, nun mal ein Resonanzraum und durch die nur millimeterdünne Blechhülle noch mal um einiges anfälliger für unerwünschte Feedbacks.

Bohemian Surf Wax – die Klangbeispiele

Die folgenden drei Klangbeispiele zeigen die Bohemian Surf Wax in den drei Modi Clean, Crunch und Lead. Eingespielt wurden die Tracks mit einem Orange Micro Dark, einer 1×12″ Box mit Celestion Vintage 30 Speaker und einem AKG C3000 Mikrofon.

Im ersten Klangbeispiel nun der unverzerrte Sound, eingespielt mit einem Strumming-Pattern. Ein Klang mit einer guten Portion Durchsetzungskraft und nahezu frei von Brummgeräuschen.

Nun erhöhen wir die Verzerrung etwas und erreichen folglich den Crunchbereich. Die etwas schlappe Dynamik der Grundkonstruktion kann der P90 hier gut kaschieren.

Aber der Pickup kann noch bedeutend mehr, wie man im nächsten Beispiel hören kann. Die Verzerrung wurde hier noch einmal deutlich angehoben, knapp unterhalb der Grenze, bei der die ersten Brummgeräusche wahrnehmbar sind. Ein dicker und fetter Leadsound, der die gespielten Noten schon nach kurzer Zeit in den Obertonbereich schickt. Klasse!

Bohemian Surf Wax D

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Fazit

Ein Hingucker ist die Bohemian Surf Wax in jedem Fall, aber ein Gag in keiner Weise! Abgesehen von den minderwertigen Mechaniken und der extremen Kopflastigkeit erwartet den Benutzer eine gut verarbeitete elektrische Gitarre mit einem akzeptablen Sound zum schmalen Kurs. Wer also unbedingt auffallen, aber dabei nicht auf eine gute Performance verzichten möchte, dem sei zum Antesten der Bohemian Surf Wax geraten!

Plus

  • gute Verarbeitung
  • Bespielbarkeit
  • elektrischer Klang
  • optisch auffällig
  • faires Preis-Leistungs-Verhältnis

Minus

  • schlappes Sustain
  • minderwertige Mechaniken
  • ganz schön kopflastig

Preis

  • Ladenpreis: 312,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Haha, ja, Geilomat! Zumindest spart man sich den Gitarrenständer bei der Konstruktion.
    Vielleicht erwähnenswert, dass es die Boho Series auch noch in Single Pickup und in Humbucker Bestückung gibt, auch mit 2 x P90.
    Ein Hingucker sind ’se allemale.
    Übrigens kriegt man die Dinger derzeit für 299 Euro im Laden.
    LoL, Bassvarianten gibbet auch noch.

    • Profilbild
      Stephan Güte RED

      Hahaha, das war ma wieder ne Steilvorlage, wat? :D
      Im Intro hab ichs geschrieben, der Bass (die Öldose) kommt auch bald!

  2. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Jo, wird wohl irgendwann mal angeschafft. Da aber derzeit schon eine andere Klampfe unterwegs ist, muss eine der hübschen Öldosen noch’n bissken warten. Mal gucken, welche es dann wird.

  3. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Ich habe eine Gitarre mit 3 Hälsen, sie ist genau so unnütz wie das Ding hier, aber einfach geil an zu schauen. Mancher Freak braucht sowas einfach. Hier heißt es einfach auffallen egal wie. Hängt seit Jahren einfach an der Wand und jeder findet das Ding einfach nur übertrieben geil. Hängt im Männer Klo. Triple Guitar!

    • Profilbild
      AMAZONA Archiv

      Absolut was für Pop Art und Andy Warhol Fans.

  4. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Macht sich übrigens auch gut vor ’ner Spongebob Tapete.

  5. Profilbild
    OscSync AHU

    Hübsch! Vielleicht auch noch der Hinweis, dass Oilcan Guitars keine neue Erfindung sind und eine lange Tradition haben und es auch andere Anbieter gibt, wie zum Beispiel Township Guitars aus Kapstadt oder Hayburner.
    Next Stop: Cigarbox Guitars! ;-)

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