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Guitar Vintage: Marshall Artist 4203 Gitarrenverstärker

Marshall goes Transistor

12. Dezember 2017

Marshall Artist 4203 Titel

Jeder kennt und liebt die allseits bekannten Marshall Plexis, JTM, JMP, JCM 800, JCM 900 Modelle und natürlich auch die neueren Serien DSL 2000, VM etc., da sie den Sound des Rock ’n‘ Roll entscheidend geprägt haben und dies auch bis heute tun. Über einige Jahrzehnte wurde ein Großteil der Plattenproduktionen im Rockbereich mit Marshall Verstärkern eingespielt, deswegen ist uns der charakteristische Sound im Ohr und im Herzen präsent.

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Ende der 1980er brachte der legendäre britische Verstärkerhersteller verblüffenderweise auch Modelle mit einer Röhrenendstufe, mit einer Transistorvorstufe gepaart auf den Markt. Gerade als die meisten Hersteller Röhrenvorstufen mit Transistorendstufen paarten, tat Marshall dies erstaunlicherweise (jedoch nur kurzzeitig) gerade anders herum.

Der Marshall Artist 4203 hat nach wie vor viele Freunde. Er gilt unter vielen seiner Fans als absoluter Geheimtipp, da er den Charakter des JCM 800 Sounds trifft, darüber hinaus aber deutlich mehr Verzerrung bereitstellt. Nicht wenige Gitarristen ziehen den Artist sogar den Modellen JCM 800 bzw. JCM 900 vor.

Dieses Verstärkermodell ist auch als Topteil zu bekommen. Der Head trägt die Bezeichnung Artist 3203, ist jedoch deutlich breiter als der kompakte Combo. Dieser kommt gerne auf einer 2 x 12″ oder 4 x 12″ Lautsprecherbox zum Einsatz, da diese die gleiche Breite aufweisen.

Marshall Artist 4203 Front

— Der Marshall Artist 4203 Combo: klein und gemein! —

Facts & Features

Der Marshall Artist 4203 ist ein Combo mit einem 12″ Lautsprecher, zwei Kanälen und integriertem Hall. Sein Gewicht ist trotz der Röhrenendstufe, die einen relativ großen Ausgangstrafo erfordert, mit nur 16,5 kg relativ moderat. Das Gehäuse ist wie bei Marshall generell natürlich sehr stabil und roadtauglich verarbeitet.

Der dazugehörige Fußschalter vollzieht sowohl die Kanalumschaltung als auch das Ein- bzw. Ausschalten des integrierten Federhalls. Die Umschaltung erfolgt über eine 6,3 mm Klinkenbuchse am Frontpanel. Erfreulicherweise finden wir auch einen Einschleifweg auf der Rückseite des Chassis. Wenn man schon zwei Kanäle zur Verfügung hat und die gewohnt gute „Zerre“ des Boost-Kanals nutzen will, ist dies absolut sinnvoll.

Die Vorstufe arbeitet komplett auf Transistorbasis. Die Endstufenleistung ist mit 30 Watt RMS angegeben, was den Artist 4203 perfekt für Klub-Gigs macht.

Wie Leo Fenders Music Man Amps aus dieser Zeit, ist der Marshall Artist 4203 Combo (sowie das 3203 Topteil) ein Hybrid-Verstärker mit einer Endstufe, die aus zwei EL34 Endstufenröhren und einem ECC83/12AX7-Phasen-Inverter besteht. Der Artist 4203 generiert eine Endstufenleistung von 30 Watt. Die EL34 laufen hier so „cool“, dass sie quasi keinen Verschleiß haben.

Cleaner Kanal

Der klare Kanal verfügt über eine Dreibandklangregelung (Bass, Mitten, Höhen) und einen Volume-Regler.

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Boost-Kanal

Der Boost-Kanal besitzt Regler für Ton, Gain (Verzerrung) und Lautstärke, mehr wäre auch überflüssig. Der Tonregler arbeitet in Abhängigkeit der EQ-Einstellung des klaren Kanals. Der Boost-Kanal produziert den typischen Marshall Crunch-Sound, wie wir später noch hören werden.

Die Master Sektion des Marshall Artist 4203

Hier wird erwartungsgemäß die Endlautstärke eingestellt. Der Reverb-Regler justiert den Hallanteil des Accutronic-Federhalls. Natürlich finden wir auch, wie bei Marshall Verstärkern mit Röhrenendstufen üblich, die firmentypischen großen Kippschalter zum Einschalten und Stand-by.

Unser Testobjekt ist optisch nicht mehr im Originalzustand. Die originale Frontbespannung wurde ersetzt. Auch der Klinkenstecker des Lautsprechers auf der Rückseite wurde ausgetauscht.

Marshall Artist 4203 panel 1

— Kompakt und sinnvoll bestückt —

Modifikationen

Ein kleiner Nachteil beim Marshall Artist 4203 (sowie 3203 Topteil) ist, dass sich die Kanalumschaltung werksseitig ausschließlich mithilfe des eingeklinkten Fußschalters bewerkstelligen lässt. Abhilfe habe ich mir geschaffen, indem ich einen kleinen Kippschalter (1x UM) an einen Monoklinkenstecker lötete. Dieser schließt in einer Stellung den heißen Kontakt mit der Masse kurz und schaltet somit den Kanal des Verstärkers um. Da für die Kanalumschaltung eine Buchse auf der Vorderseite des Amps genutzt wird, konnte ich nun die Umschaltung entspannt von dort tätigen, ohne stets den Doppelfußschalter eingeklinkt haben zu müssen. Für zu Hause geradezu ideal.

— Selbstgebaute Kanalumschaltung, ohne ständig den Fußschalter eingeklinkt zu haben —

Eine weitere einfache aber außerordentlich effektive Modifikation lest ihr später im Abschnitt Sound.

Die Rückseite des Marshall Artist 4203

Die Features auf der Rückseite fallen eher spartanisch aus. Hier sehen wir den Einschleifweg und die Lautsprecherausgänge. Der (die) angeschlossenen Lautsprecher sollte(n) insgesamt eine Impedanz von nicht mehr als 8 Ohm haben (eine Box mit einer Impedanz von 16 Ohm ließe sich natürlich auch anschließen, es wäre aber mit einer Leistungsreduzierung zu rechnen). Ein kleiner Schiebeschalter gestattet die entsprechende Anpassung.

Der Line-Out ist nicht frequenzkorrigiert und seine Nutzung daher, wenn überhaupt, nur bedingt zu empfehlen, es sei denn, man nutzt ausschließlich den klaren Sound. Aber welcher Gitarrist kauft sich einen zweikanaligen Marshall, ohne den charakteristischen Leadsound aktivieren zu wollen? Die Ausgabe des Vorstufensignals an eine weitere Endstufe halte ich hier für wenig sinnvoll, da der Amp ja gerade verhältnismäßig kompakt und dabei doch sehr laut ist.

— Immerhin ein Einschleifweg —

Sound und Praxis mit dem Marshall Artist 4203

Beim Marshall Artist 4203 handelt sich klanglich um einen Ableger der JCM 800 Serie. Die Vorstufe ist eine Nachbildung des zweikanaligen JCM 800 in Transistortechnik, generiert jedoch deutlich mehr Gain als sein „Vollröhrenkollege“. Der Sound entwickelt eindeutig ähnliche Klangcharakteristik wie das röhrengetriebene Vorbild. Viele bezeichnen den Amp sogar als einen Geheimtipp für Fans des JCM 800er Sounds und halten ihn für besser als die JCM 900er Serie. Das ist natürlich wie immer Geschmacksache. Die Röhrenpuristen werden Transistoren im Signalweg sicherlich nicht „tolerieren“.

Seine 30 Watt Leistung der Röhrenendstufe erzeugen eine wirklich satte Lautstärke, die sich sicherlich als laut genug für quasi alle Einsatzgebiete erweisen wird. Bei Bedarf wird mit dem Betrieb einer 2 x 12″ bzw. 4 x 12″ Lautsprecherbox noch deutlich mehr Schub als beim puren Kombo generiert. Man kann dem Artist 4203 tatsächlich attestieren, den typisch mittigen und aggressiven Rocksound, für den vor allem die Vollröhrenmodelle von Marshall berühmt sind, auch mit einer Transistorvorstufe herzustellen.

Hier ein Lead-Ton mit einer Les Paul Special auf dem Steg-Pickup und etwas analogem Delay im Effektweg, das Gain war bei 100%:

Und hier der gleiche Sound mit einer Rhythmusfigur:

Erstaunlicherweise attestieren viele Benutzer des Artist 4203, dass der klare Kanal einen sehr „Fender-mäßigen“ Sound liefern kann. Dieser hat jedoch die Tendenz dazu, sehr höhenlastig zu klingen und verträgt sich somit nicht allzu gut mit einigen Fußtretern, insbesondere Zerrpedalen.

Abhilfe schafft hier eine kleine Modifikation, die auch vom Laien vorgenommen werden kann, nämlich das Abknipsen eines Kondensators (C13). Hierbei wird einfach nur ein Bein eines leicht zugänglichen Scheibenkondensators gekappt. Ist man technisch versiert, kann man den entsprechenden Kondensator auch mittels eines kleinen Kippschalters schaltbar machen. Anleitungen dazu findet ihr im Netz.

Hier gilt es unbedingt zu erwähnen, dass im Chassis eines Röhrenverstärkers an einigen Stellen eine Hochspannung von bis zu 500 Volt herrscht. Wer sich nicht damit auskennt, sollte die Finger davon lassen oder den Job einem qualifizierten Techniker überlassen. Es lohnt sich nicht, sein Leben für das Abknipsen eines Kondensators zu riskieren.

Marshall Artist 4203 panel 2

— Die Boost-Sektion des Artist 4203 —

Der eingebaute Accutronics Federhall spricht schnell an. Stellungen jenseits der 10.00 Uhr Marke sind sinnfrei. Dass dieser schaltbar ist, ist durchaus sinnvoll, da man bei Benutzung des verzerrten Kanals schnell einmal Klangmatsch produziert. Zu viel Hall nimmt dem schönen Crunchsound seine Direktheit, das wäre Verschwendung.

Hier könnt ihr auch noch zwei Cruchsounds hören. Zunächst eine Stratocaster (DiMarzio Chopper am Steg), das Gain steht auf ca. 12.00 Uhr:

Und hier der zweite Crunchsound mit dem Hauch von AC/DC-Flair und einer Gibson Les Paul Special mit P100 Pickups:

— Dreiband EQ des klaren Kanals, kein Regler für Präsenzen —

Man spürt, dass hier eine Kombination aus Transistorvorstufe und Röhrenendstufe vorliegt. Die Weichheit des klaren Sounds der Transistorvorstufe könnte ausgeprägter sein, wird aber durch die Existenz der Röhrenendstufe wieder recht gut kompensiert. Somit wird auch eine gute Dynamik erreicht. Die zuvor beschriebene „C13 Modifikation“ ist dringend zu empfehlen, da sie die werkseitig schneidenden Höhen eliminiert und zudem sehr leicht durchführbar ist.

Die Klangbeispiele wurden mit folgendem Equipment erstellt:

Gibson Les Paul Special bzw. Riemer Stratocaster – Marshall Artist 4203 Combo, Delay (Boss DD3) eingeschleift, etwas integrierter Hall – Shure SM 57 – Apogee Duett – Mac mit Logic.

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Fazit

Der Marshall Artist 4203 generiert den typisch „marshallesquen“ Ton und dies erstaunlicherweise, obwohl er eine Transistorvorstufe besitzt. Er ist kompakt und verhältnismäßig leicht (16,5 kg), macht aber enormen Druck, sodass seine Lautstärke locker auch für größere Bühnen ausreicht. Hängt man noch eine 2 x 12″ bzw. 4 x 12″ Box daran, ist er nur sehr schwer von seinen Vollröhrenkollegen zu unterscheiden. Die Lautstärke ist wirklich beeindruckend.

Im Netz sprechen viele Nutzer dieses Verstärkers vom sogenannten „Sleeper“, der aufgrund seiner Transistorvorstufe gerne unterbewertet wird, aber bei kompakten Ausmaßen einen Sound bietet, der dem vieler JCM 800 bzw. 900 Modellen überlegen ist. Auch das ist wie immer Geschmacksache.

Eine Idee zur „Zweckentfremdung“ wäre z. B., den Artist Combo lediglich als Röhrenendstufe und Lautsprecherkabinett zu nutzen und eine Röhrenvorstufe (JMP-1 etc.) in den Return des Effektweges einzuschleifen. So hätte man das „gute Gefühl“, die Transistorvorstufe zu meiden (zu umgehen), was vielleicht für den einen oder anderen von euch nicht unwichtig ist.

Plus

  • Sound
  • zwei Kanäle
  • Gewicht
  • Lautstärke
  • Einschleifweg
  • Hall

Minus

  • Kanalumschaltung nur mit Fußschalter möglich
  • Hall nicht sehr fein dosierbar

Preis

  • Gebrauchtpreis: 350,- bis 400,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Bis zum heutigen Tag, auch wenn der Bericht noch so nett geschrieben ist, aber Transistor und Rasierapparat geben sich einfach die Hand. Ein guter Grund, gerade hier einen Bogen um die Artisten Serie zu machen. Aber es gibt immer irgendwelche Leute die ihn nun doch haben, den Sound den ich eher vom morgendlichen Bild im Spiegel habe während dessen ich mich rasiere. Diese scharfen rechteckige Wellen lassen nichts unzersägt. Für mich persönlich hat die Röhre noch durch keine andere Technik ersetzen können.

    • Profilbild
      Johannes Krayer RED

      Hallo amazonaman,

      ich bin auch ein absoluter Befürworter der Röhre, aber der Artist macht einen guten Job. Ich denke, auch die Röhrenendstufe hat ihren Anteil daran,

      Gruß,

      Johannes

  2. Profilbild
    OscSync AHU

    Der Trick mit dem eingeschrumpfschlauchten Schalter auf dem Klinkenstecker ist super! Das kommt wie gerufen für meinen Mesa Studio 22, der ebenfalls nur per Fußschalter schaltbar ist.Danke für den Tipp!

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